Manifest
Wir fordern von der Regierung eine zukunftsgerichtete Ausrichtung ihrer Politik, um wichtige genderpolitische Massnahmen endlich auf den Weg zu bringen:
Das Manifest gibt es auch in leichter Sprache.
1. Forderung
Care ist Wirtschaft
Wir fordern einen Care-Barometer – analog des Schweizerischen Care-Barometers. Wir fordern, dass das Amt für Statistik die unbezahlte Arbeit wiederkehrend statistisch erhebt.
Wir fordern Massnahmen, die eine angemessene Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern ermöglichen. Wir fordern den Einbezug der unbezahlten Care-Arbeit in die Sozialversicherungen.
Die gleichberechtigte Verteilung unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern ist gelebte Gleichstellung. Überall auf der Welt wird mehr unbezahlt gearbeitet als bezahlt – so wird es auch in Liechtenstein sein. Frauen* leisten einen grossen Teil der unbezahlten und gesellschaftlich sehr wichtigen Care-Arbeit (Familienarbeit, Kindererziehung, Betreuung von Kindern und älteren Menschen). Die Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit ist ein elementarer Gleichstellungsindikator, denn es zeigt sich, dass nach wie vor der grösste Teil der unbezahlten Care-Arbeit von Frauen* geleistet wird.
2. Forderung
Gleichstellungsstrategie für Liechtenstein
Wir fordern von Regierung und Landtag die Einführung einer Gleichstellungs- und Gender Mainstreaming-Strategie. Sie soll die Bereitstellung struktureller und personeller Ressourcen, die Budgetierung sowie Überwachungsmassnahmen und Rechenschaftspflichten in allen staatlichen Sektoren und Stufen einschliessen.
Die Erarbeitung einer Gleichstellungs- und Gender Mainstreaming-Strategie ist eine dringliche Schlussempfehlung des CEDAW-Ausschusses vom 19. Juli 2018 (Para 16 (a)). Unsere Forderung wird von CEDAW unterstützt.
Die Regierung unter Adrian Hasler hat unsere Forderung wie auch die Empfehlung des UNO-Ausschusses ignoriert. Die aktuelle Regierung kündigt seit 2021 die Erarbeitung einer Gleichstellungsstrategie an. Passiert ist bis anhin noch nichts.
Zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter braucht es eine Strategie mit klaren Zielsetzungen und Massnahmen, die abgeleitet und überprüft werden können.
3. Forderung
Rollenbilder aufbrechen
Wir fordern von der Politik, der Verwaltung, den Wirtschaftsverbänden (Industrie, Gewerbe und Finanzsektor), Organisationen und Privatpersonen das Aufbrechen von überholten Rollenbildern und Strukturen, damit die wirtschaftliche Unabhängigkeit und soziale Absicherung aller Frauen* möglich wird und sich Männer* an der unbezahlten Care-Arbeit beteiligen können. Von der Politik fordern wir fortlaufende Sensibilisierungsmassnahmen, die breit wirken.
Traditionelle Verhaltensmuster und patriarchale Strukturen wirken noch immer in Liechtenstein. Gesellschaftliche Vorurteile und Rollenbilder, die Frauen* und Männer* in ihrer Entwicklung einschränken, fördern ungleiche Machtverhältnisse und führen zu grosser wirtschaftlicher, sozialer und emotionaler Abhängigkeit. Die Überwindung von überholten Rollenbildern stärkt die Unabhängigkeit der Frauen* und ist ein wesentlicher Beitrag zur tatsächlichen Selbstbestimmtheit der Frauen. Frauen* und Männer*, Mädchen* und Jungen*, die durch stereotype Erwartungshaltungen in ein festes Schema gepresst werden, sind in ihrem Streben, ihren Entscheidungen und ihrer Freiheit eingeschränkt.
4. Forderung
Gewalt gegen Frauen stoppen
Nach der Ratifizierung der Istanbul Konvention fordern wir genügend Ressourcen, um die Opferberatung für alle Formen der Gewalt effektiv wahrnehmen zu können.
Wir fordern, dass § 204a Abs. 1 zur Vergewaltigung (StGB) gemäss Art. 36 Abs. 2 der Konvention angepasst wird, sodass eine rechtmässige sexuelle Handlung nur dann besteht, wenn ein frei erteiltes Einverständnis („nur ja heisst ja“) vorliegt und der Straftatbestand des «Freezing» aufgenommen wird
Geschlechtsspezifische Gewalt – oder Gewalt, die gegen eine Frau* gerichtet ist, weil sie eine Frau* ist, oder die Frauen* unverhältnismässig stark betrifft ist nach wie vor eine der grössten Herausforderungen unserer Gesellschaft und tief in den Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verwurzelt. Häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen* sind auch in Liechtenstein weit verbreitet und verursachen grosses menschliches Leid und auch hohe gesellschaftliche Kosten.
5. Forderung
Vereinbarkeit Familie und Beruf
Wir fordern von der Politik und den Wirtschaftsverbänden (Industrie, Gewerbe und Finanzsektor) zur bezahlten Mutterzeit und der bezahlten Vaterzeit eine genügend lange bezahlte Elternzeit je Elternteil in der Höhe von 80%-des AHV-pflichtigen Lohns und einer Deckelung bei der Höhe des Medianlohns.
Wir fordern qualifizierte Teilzeitstellen für Frauen* und Männer* und keine Diskriminierung von Arbeitnehmer*innen aufgrund des familiären Engagements.
Wir fordern Investitionen in Betreuungsangebote, um die Teilhabe von Frauen* an bezahlter Arbeit zu fördern.
Wir fordern mehr ausserhäusliche Kinderbetreuungsangebote.
Eine genügend lange Elternzeit pro Elternteil fördert und sichert eine Eigenbetreuung im ersten Lebensjahr für alle Eltern ohne einschneidende finanzielle Einbussen. Qualifizierte Teilzeitarbeit und flexible Arbeitszeitmodelle werden in unserem wirtschaftlichen Umfeld immer noch viel zu selten angeboten. Sichtbar ist dies vor allem in der Führung und ablesbar an den wenigen Männern*, die in Teilzeit tätig sind. Eine ausgewogene Aufteilung von Betreuungspflichten zu Hause ist ebenso von entscheidender Bedeutung wie die Verfügbarkeit von leistbaren Betreuungs- und Haushaltsdiensten.
Derzeit fehlen wieder Kita-Plätze und Tagemütter für die ausserhäusliche Kinderbetreuung.
6. Forderung
Lohngleichheit
Wir fordern flächendeckende Lohnanalysen, die in die Gleichstellungsindikatoren aufgenommen werden.
Wir fordern gezielte Lohnerhöhung in Branchen mit tiefen und mittleren Löhnen und hohem Frauenanteil.
Wir fordern von der Politik Massnahmen, welche die Lohnungleichheit abbauen und wir fordern von den Wirtschaftsverbänden (Industrie, Gewerbe und Finanzsektor), dass sie die Massnahmen der Regierung in ihren angeschlossenen Betrieben unterstützen.
Gleichstellung ist dann erreicht, wenn Frauen* und Männer* gleiche Aufstiegs- und Karrierechancen ungeachtet der Familienarbeit haben und keine Lohnunterschiede aufgrund des Geschlechts feststellbar sind. Der Abbau der Lohnungleichheit ist eine alte Forderung des Frauennetzes. Mit dem Ansatz der Freiwilligkeit der Regierung ist das Ziel von Lohngleichheit erst in Jahrzehnten erreichbar.
7. Forderung
Mehrfachdiskriminierung beenden
Wir fordern Massnahmen zur Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierungen – auch wenn die Fallzahlen in Liechtenstein klein sind. Wir fordern einen barrierefreien Zugang in allen Lebensbereichen der Gesellschaft, Chancengerechtigkeit und Teilhabe unabhängig von Religion, Herkunft, Zugehörigkeit, Alter, sexueller Orientierung und Identität und/oder Behinderung.
Wir sind für Chancengerechtigkeit für alle und gegen Diskriminierung jeglicher Art. Frauen* sind keine homogene Gruppe von Menschen und es gibt unter ihnen Privilegierte und weniger Privilegierte. Zudem können Menschen von mehreren Diskriminierungen betroffen sein. So können Frauen weiteren Diskriminierungen aufgrund eines oder mehrerer Merkmale wie Religion, Herkunft, Zugehörigkeit, Alter, sexueller Orientierung und Identität und/oder Behinderung ausgesetzt sein. Diskriminierung ist für verletzliche Personengruppen leider alltäglich: z.B. in Bezug auf den Zugang zu Informationen für Menschen mit Behinderungen oder alten Menschen, Alltagsrassismus.